Kastration: Fakten

Daß einmal das Wort ‚Tierschutz‘ geschaffen werden mußte, ist wohl eine der blamabelsten Angelegenheiten der menschlichen Entwicklung – gewiß nicht die einzige!

Theodor Heuss, Bundespräsident der BRD

… dem ist schlichtweg nichts hinzuzufügen.

Kastration – warum? Das sagen die Fakten.

Die Population verwilderter Katzen (nicht Wildkatzen!) wächst stetig. Schon jetzt gibt es über 2 Millionen dieser sogenannten Streuner deutschlandweit. Und es werden immer mehr. Ein Problem für Flora, Fauna, für den Menschen und nicht zuletzt für die Streuner selbst.

Zugegeben: Vor allem wenn Katzenbabys da sind, ist es ein extrem niedliches Problem; aber nichtsdestotrotz ein Problem! Warum? Das verraten unsere Zahlen & Fakten.

Fakten-Check 1: Überpopulation

Etwa 2 Millionen verwilderte Katzen streunen durch Deutschland. Sie stromern durch Parks, Wälder und Gartenanlagen, über Hinterhöfe und Friedhöfe, durch Industriegebiete und Wohnsiedlungen.

Im Kreis Recklinghausen werden schätzungsweise mehrere hundert Tiere pro Jahr ausgesetzt und ihrem eigenen Schicksal überlassen.

Eine unkastrierte Katze kann im Normalfall zwei- bis dreimal im Jahr vier bis sechs Katzenwelpen bekommen.

Die Jungtiere werden bereits mit 4 bis 6 Monaten geschlechtsreif. Sie können also mit einem halben Jahr bereits ihren ersten eigenen Wurf haben. So entstehen in rasanter Geschwindigkeit weitere Generationen wild lebender Katzen.

Ohne Kastration werden aus einer Katze in nur 7 Jahren 370.092 Streuner.

In nur 7 Jahren können eine einzige unkastrierte Katze und ihre Nachkommen rein rechnerisch bis zu 370.000 Nachkommen zeugen. Auf all diese Katzenkinder wartet ein entbehrungsreiches und leidvolles Leben. Zusätzlich verschärfen unkastrierte Freigänger die Problematik stetig weiter.

Fakten-Check 2: Katzen-Elend

Streuner führen ein entbehrungsreiches Leben auf deutschen Straßen. Bei den heimatlosen Straßenkatzen handelt es sich um entlaufene oder ausgesetzte Tiere bzw. um ihre Nachkommen. Letztlich stammen sie also alle von Katzen ab, die sich in der Obhut des Menschen befanden und deren Fortpflanzung nicht kontrolliert wurde. Als ursprünglich domestizierte Haustiere sind sie nicht für ein Leben in der Natur gerüstet. Ohne menschliche Fürsorge sterben sie frühzeitig und oft qualvoll.

Ohne Kastration wird ein Streuner durchschnittlich nur 5 Jahre alt.

Die durchschnittliche Lebensdauer von Streunern wird auf nur 5 Jahre geschätzt. Die Anforderungen an die Tiere sind extrem hoch. Sie haben keinen dauerhaften Unterschlupf, der ihnen Schutz vor Kälte und Nässe bzw. vor Gefahren durch andere Tiere und den Menschen bietet. Sie werden überall verjagt, sind immer auf der Flucht, sind Wind und Wetter ausgesetzt und haben keine regelmäßige Nahrungsquelle.

Die Zeiten, in denen sich eine Katze von Mäusen ernähren konnte, sind lange vorbei. Die in der heutigen Zeit durch den Einsatz von Giften eingedämmte Mäusepopulation stellt längst keine ausreichende Nahrungsquelle mehr für die Überpopulation der Katzen dar. Abfälle werden heute in der Regel unzugänglich verpackt und entsorgt. Dort wo es nicht so ist, versuchen die wildlebenden Katzen, sich aus dem Müll zu ernähren. Dabei finden sie aber nur selten Nahrhaftes und verletzen sich höchstens noch an den Abfällen.

Fakten-Check 3: Katzen-Krankheiten

 Befallen Krankheiten die Streunerkatzen oder sind sie verletzt, gibt es keine medizinische Versorgung.

Infektionserkrankungen wie die Katzenseuche, infektiöse Katzen-Leukämie oder Katzen-Aids (FIV) verbreiten sich besonders unter den Jungkatzen. An ihnen erkrankte Tiere sterben erbärmlich leidend und zumeist von Menschen unbemerkt irgendwo in einem Gebüsch oder einem sonstigen Versteck.

Durch Immunschwächen, Mangelernährung und die fehlende medizinische Versorgung greifen Infektionskrankheiten um sich – etwa der vor allem für Jungtiere oft tödlich verlaufende Katzenschnupfen. Die Tiere, die ihn überleben, verbringen ihr kurzes Leben mit gravierenden Schädigungen des Atemtraktes (Lungenentzündung, chron. Bronchitis/Sinusitis, Asthma) und verlieren nicht selten sogar ihr Augenlicht. Die Augen eitern schlicht aus.

Trotz Schwäche und Krankheiten sind die Tiere noch immer zeugungsfähig. So vermehren sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Schwäche, ihre Krankheiten und Infektionen.

Die Kastration verhindert auch ein qualvolles Kitten-Sterben. Katzen-Welpen ziehen sich bereits über die Muttermilch einen Wurmbefall zu, der sie schwächt. Genau wie ihre durch Mangel an hochwertiger Nahrung immungeschwächten Mütter haben auch sie durch Unterernährung keine ausreichenden Abwehrkräfte, Bakterien und Viren zu bekämpfen. Anfänglich harmlose Erkrankungen können oft aufgrund der Immunschwäche nicht besiegt werden und enden in einem chronischen Status oder gar tödlich. Ohne Impfschutz haben die Tiere den grassierenden tödlich verlaufenden Infektionserkrankungen nur sehr wenig bis gar nichts entgegenzusetzen.

An Infektionserkrankungen leidende Streunerkatzen infizieren auch Hauskatzen im Freigang. Die Infektionen der Streuner machen so auch nicht vor der Haustür des Menschen halt!

Fakten-Check 4: Kastration

Besonders unkastrierte Kater durchstreifen auf ihrer Partnersuche teils große Territorien. Die Streuner sind auf ihren Wegen vielen Gefahren ausgesetzt:

  • Verkehrsunfälle beim Überqueren von Straßen
  • Abschuss durch Jäger
  • Risiko von Infektionskrankheiten bei Katzen
  • Verletzungsrisiko durch Revierkämpfe

Durch die Kastration nimmt bei Katern die Häufigkeit von Revierkämpfen ab. Dadurch sinkt auch die Gefahr von Infektionen und Verletzungen der Tiere.

Die Steigerung der Lebenserwartung durch die Kastration liegt bei Katzen bei vier Jahren und bei Katern sogar bei bis zu fünf Jahren.

Katzen haben nach einer frühen Kastration ein deutlich geringeres Risiko, an Brustkrebs (den sogenannten Mammatumoren) zu erkranken. Auch dem Risiko einer Gebärmutterentzündung sind die weiblichen Tiere nicht mehr ausgesetzt.

Wurde die Katze während ihrer Rolligkeit nicht gedeckt, wird sie nach 9 Tagen wieder rollig. Wird die Katze nie befriedigt, wird sie in immer kürzeren Abständen läufig, bis es zu einer Dauerrolligkeit kommt. Dabei können leicht Gebärmutterentzündungen oder Zysten an der Gebärmutter der Katze entstehen. Die Dauerrolligkeit der Katze wird zur Qual!

Fakten-Check 5: Rechtslage bei Kastration

Kastrationspflicht: Rund 172 Städte und Gemeinden in NRW (auch jene in unserem Aktionsradius) haben mittlerweile sogenannte Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsverordnungen für Katzen eingeführt. (Stand: April 2021 – kein Anspruch auf Vollständigkeit)

Die Kastration verstößt nicht gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen (insbesondere § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Tierschutzgesetz). Seit der letzten Novellierung des Tierschutzgesetzes – in Kraft getreten Juli 2013 – kann die Kastrationspflicht offiziell mit ihrem tatsächlichen Anliegen begründet werden: dem Schutz der Katzen.

Die Kastration frei lebender Katzen (herrenlos oder nicht) steht damit nicht nur im Einklang mit dem Tierschutzgesetz, sondern verwirklicht auch das in Art. 20 (a) GG verankerte Gebot zum effektiven Tierschutz.

 

Das Leid der Straßenkatzen bleibt für viele Menschen unsichtbar und ist damit in Deutschland eines der größten unbemerkten Tierschutzprobleme. Nur die flächendeckende Kastration der Straßenkatzen in Kombination mit der Kastration von Freigängerkatzen aus Privathaushalten kann langfristig dazu führen, dass die Population sinkt. Auch Katzenbesitzer sind daher in der Pflicht, ihre Tiere kastrieren zu lassen, wenn diese nach draußen dürfen – egal, ob weibliche Katze oder Kater.

Dr. Moira Gerlach, Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund

Mittels Kastration bleibt vielen Streunern ein leidvolles Leben erspart.